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Kompetenzzentrum Vielfalt
Vorgestellt - Vereine im Dialog

IGEL-OF e.V. in Offenbach am Main

Inklusion heißt niemanden ausschließen

Foto: Giusi Potentino

Was ist euer Anliegen?

D. Terpitz: Wir setzen uns dafür ein, dass alle mitgenommen werden. Dass wir die Stärken und Schwächen sehen und dass jeder Mensch selbstverständlich und selbstbestimmt voll teilhaben kann. Das ist ein Recht und es schließt alle ein: Kinder mit Behinderungen, aber auch mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Milieus. Das ist unser weiter Inklusionsbegriff, den wir leben und umsetzen. Die Frage ist: Was braucht das Kind?

Wie entstand euer Verein?

Z. Takele: Mit meinem Kind fing alles an. Meine Tochter Kali wurde wegen einer Entwicklungsverzögerung in die Förderschule eingeschult. Es gab keine Beratung für Kinder mit Schwierigkeiten oder mit Sprachproblemen. Wir hatten das am Anfang akzeptiert. Ihre Lehrerin hatte mir damals versprochen, dass Kali auf eine normale Schule gehen könne, wenn sie sich ein bisschen verbessert hätte. Trotzdem ist Kali in der Förderschule geblieben, die Lehrerin meinte, dass es für sie dort besser ist. Aber ich als Mutter weiß was für meine Tochter gut ist. Ich habe geheult, meine Tochter hat geheult. Kali sagte: „ich will mit meinen Geschwistern auf die gleiche Schule gehen“. Wir haben gekämpft, damit sie auf eine Regelschule gehen kann. Und gewonnen. In der Zeit haben wir andere Eltern kennengelernt, mit ähnlichen Schwierigkeiten, daraus entstand dann die Initiative und später der Verein.

Was macht euer Verein?

D. Terpitz: Wir sind eine Elterninitiative, wir beraten und stärken Eltern. Damit sie unser Schulsystem verstehen und ihre Rechte als Eltern kennen. Wir verteilen überall Flyer. Schulen und Lehrer*innen halten sie den Eltern unter die Nase und sagen: „gehen sie dahin, die helfen ihnen.“ Wir sind gut vernetzt, haben eine Webseite. Und Eltern empfehlen uns an andere Eltern weiter. Wir machen Einzelberatung oder die Eltern unterstützen sich gegenseitig über unsere Elterntreffs.

Foto: Giusi Potentino

Und ihr macht das in eurem Wohnzimmer, oder?

D. Terpitz: Ja, ganz bewusst. Wir beraten im heimischen Wohnzimmer, nach wie vor. Das ist niedrigschwellig. Von Eltern für Eltern. Die Eltern kommen hierher und haben Vertrauen, manchmal habe ich weinende Mütter, die ich erst trösten muss. Sie geraten das erste Mal an eine Stelle, wo sie Verständnis bekommen. In einer Wohnung ist das ganz anders als bei den Behörden.

Ist die Vernetzung der Familien für Igel-OF ein wichtiger Punkt?

D. Terpitz: Ja sehr. Wenn ich in der Beratung sehe, sie haben dasselbe Problem wie eine andere Familie, dann frage ich diese, ob sie vielleicht Kontakt aufnehmen wollen und so können sie sich gegenseitig helfen. Wir haben einmal im Monat einen Elternabend. Man kann einfach kommen. Wir haben super tolle Erfahrungen gemacht. Die Eltern treffen hier auf Verständnis, kriegen auch Tipps, das funktioniert.

Wieso ist es wichtig, das Schulsystem den Eltern genau zu erklären?

D. Terpitz: Schule ist eigentlich ein Teil der Behörde und die Lehrerinnen und Lehrer vergessen oft, dass sie sich an Gesetze halten müssen. Sie beraten Eltern, ihre Kinder direkt in die Förderschule zu geben. Das dürfen sie gesetzlich gar nicht. Die Inklusion ist der Regelfall und wir erleben immer wieder, dass Behörden, nicht nur die Schulbehörden, sondern auch die Sozialbehörden, dass sie sich nicht an das Inklusions-Gesetz halten. Also müssen wir die Eltern über ihre Rechte aufklären.

Z. Takele: Ich gehe z.B. in alle Kitas, spreche dort mit den Leiterinnen und Leitern und fange jetzt auch an, die Eltern anzusprechen.

D. Terpitz: Wir wollen das Bewusstsein stärken für die Notwendigkeit von Inklusion. Wir arbeiten im „Netzwerk Inklusion“, da sind alle wesentlichen Verbände dabei, wir sind im Netzwerk Bildungsberatung der Stadt Offenbach, wir machen Lobby-Arbeit und unterhalten Kontakte zu den Schulen.

Inklusion ist ein Rechtsanspruch, wie ist aber die Realität?

D. Terpitz: Theorie und Praxis klaffen stark auseinander. Zusätzlich haben wir festgestellt, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund einfach gesagt kriegen: „Ihr Kind spricht sehr schlecht Deutsch, melden Sie es bitte auf der Förderschule an.“ Und das ist vom Schulgesetz überhaupt nicht vorgesehen, das würden sie sich bei deutschen Familien gar nicht trauen.

„Jeder Mensch ist anders, wenn wir Inklusion leben, dann grenzen wir niemanden aus, dann ist jeder willkommen. Es gibt Schulen die machen das erfolgreich, das ist keine Utopie, das geht!“

Wie finanziert sich der Verein?

D. Terpitz: Mittlerweile werden wir auch durch öffentliche Mittel gefördert: Unser Angebot EUTB „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert. Das Projekt „Gemeinsam lernen – Eltern für die Bildung ihrer Kinder“ wird über das Hessische Landesprogramm WIR finanziert. Dazu kommen die Mitgliedbeiträge und die Unterstützung von einzelnen Firmen durch Spenden. Ohne ehrenamtliches Engagement wäre aber unsere Arbeit nicht denkbar!