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Kompetenzzentrum Vielfalt
Vorgestellt - Vereine im Dialog

Demokratischer Kulturverein e.V. in Kassel

Theater ist eine Möglichkeit sich selbst sichtbar zu machen

„Angekommen? – Gestern – Heute – Morgen!“ Eine Stückentwicklung zum Thema Integration, Heimat und unseren Lebensort: Stadt Kassel.

Foto: Giusi Potentino

Das Kompetenzzentrum Vielfalt – Migrantenorganisationen hat sich mit Ayse Budak vom Demokratischen Kulturverein in Kassel getroffen. Die energische Projektkoordinatorin betritt den Raum und erzählt vom aktuellen Frauen-Theaterprojekt „Angekommen? – Gestern-Heute- Morgen!“ des Vereins. In dem Projekt wird ein Theaterstück entwickelt, in dem die unterschiedlichen Lebenserfahrungen der Protagonistinnen mit Migrationshintergrund mit einfließen. Was alle Akteurinnen gemeinsam haben, ist die Stadt Kassel als Lebensort.

„Ankommen heißt sich wohlfühlen, sich selbst finden und sich vernetzen“ - das ist das Motto der Projektleiterin aus Kassel.

Foto: Giusi Potentino

Wie entstand die Projektidee zum Theaterprojekt „Angekommen? – Gestern – Heute – Morgen!“?

A. Budak: Vor einem Jahr trafen sich Frauen aus dem Demokratischen Kulturverein Kassel und aus dem Migrantinnen – Bündnis Kassel und bereiteten eine Szene vor, die auf einer Veranstaltung im Rahmen des Internationalen Frauentags ausgeführt werden sollte. Sie haben eigene Texte geschrieben, die sie auf der Bühne gebracht haben. Sie haben Gedichte und Geschichten vorgelesen. Aus dieser Erfahrung kamen wir auf die Idee, ein Theaterstück zu entwickeln. Nach dieser Aufführung hat uns die WIR-Koordinatorin in Kassel Teslihan Ayalp angesprochen. Wir haben unsere Projektidee vorgestellt und sie hat uns über das WIR-Programm berichtet, mit dem wir unser Projekt umsetzen könnten. So fing es an. Zusammen mit Bircan Özdemir, Mitglied des Vereins und mitwirkend im Projekt, haben wir den Antrag für das WIR-Programm gestellt.

Es geht um das Empowerment der Frauen - wieso haben Sie gerade das Theater als Methode gewählt?

A. Budak: Theater ist eine Möglichkeit, sich selbst sichtbarer zu machen. Nach dieser ersten Erfahrung des Vorlesens der eigenen Geschichten haben die teilnehmenden Frauen selbst das Theater als Darstellungsform vorgeschlagen. Auf der Bühne fällt es ihnen leichter, sich zu zeigen, sich auch körperlich zu äußern. Die Nähe zum Publikum kann Barrieren aufbrechen, wie es in einem Theaterhaus häufig empfunden wird. Die Teilnehmerinnen sind Frauen, die Theater lieben, die gerne was machen wollen. Sie schreiben die Texte selbst - es sind ihre eigenen Geschichten. Und wer könnte ihre eigenen Texte besser interpretieren als sie selbst? Ziel des Projektes ist es vor allem, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken. Wir wollen ihre Ressourcen und Bedürfnissen in diesem Rahmen herausfinden. Das Projekt ist für Frauen gedacht, die keine Stimme haben, aber sich doch auf die Bühne trauen und hervortreten möchten.

Warum sehen Sie es als notwendig an, insbesondere Migrantinnen in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken?

Das Selbstbewusstsein ist ein wichtiger Schritt für die Integration. Es ist wichtig, die persönlichen Stärken zu kennen und sie wahrzunehmen. Für Frauen mit Migrationsgeschichte ist die Integration nicht einfach. Männer arbeiten in den meisten Fällen außerhalb des Hauses, die Frauen bleiben eher zu Hause mit den Kindern, übernehmen Pflichten und Verantwortungen gegenüber der ganzen Familie und kümmern sich um den Haushalt oder beschäftigen sich im Pflegedienst. Aus diesem Grund wollten wir für sie einen Raum schaffen, wo sie sich frei fühlen, sich äußern und zeigen können. Im Projekt sind auch Schülerinnen dabei und die Zusammenarbeit mit den älteren Teilnehmerinnen funktioniert prima. Sie verstehen sich gut, trotz des Altersunterschieds. Sie haben gemeinsame Themen in ihren Lebenserfahrungen. Sie schreiben Texte für die Szenen über Integration, Diskriminierung, Verurteilung, Ausgrenzung, die politische Lage, Kultur, Sprache und ihre Arbeitssituation.

Was motiviert Sie persönlich dazu, dieses Projekt auf die Beine zu stellen?

A. Budak: Ich bin mit 11 Jahren nach Deutschland gekommen und ich war immer sehr ängstlich. Ich war nicht meiner selbst bewusst und fühlte mich mit der neuen Umwelt nicht verbunden, bis ich diesen Verein kennenlernte. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon verheiratet und Mutter, eher älter. Mit der Frauenarbeit habe ich erst dann angefangen und konnte dadurch sehen, dass Frauen mit Migrationshintergrund auch viel schaffen können. Ich habe eine Ausbildung abgeschlossen, habe mich aber in der Gesellschaft kaum geäußert, da ich mich nicht getraut habe, etwas zu sagen. Ich schämte mich, hatte Angst etwas Falsches zu sagen, ausgelacht zu werden. Bei uns zu Hause sind wir als Mädchen still, wir müssen still sein. Das wird uns so beigebracht. So habe ich mich verhalten bis ich nach Deutschland gekommen bin und mit der Integration auch feststellen konnte, dass Frauen überhaupt nicht still sind.

Wie läuft gerade das Projekt?

A. Budak: Wir wollten viele Frauen erreichen und wir hatten unser Ziel auch erreicht. Leider konnten aber nicht alle am Projekt teilnehmen. Wir konnten noch keine Kinderbetreuung anbieten und viele Mütter konnten sich für die Proben zeitlich nicht organisieren. In unsere Projektplanung ist nicht nur die Kinderbetreuung vorgesehen, sondern auch Theaterpädagogen, die uns bei der Entwicklung der Theaterstück begleiten sollen. Wir konnten aber in der ersten Phase des Projektes nicht für jede Sitzung die Stundenhonorare übernehmen. Wir haben in der Zwischenzeit zusätzliche finanzielle Unterstützungen vom Haus der Kultur Kassel bekommen und somit können wir die Betreuungskosten und die Honorare der Theaterpädagogen auch decken.

Wie wird das Projekt sonst finanziert?

A. Budak: Das Theaterprojekt „Angekommen? – Gestern-Heute- Morgen!“ wird über das Hessische Landesprogramm WIR finanziert. Das Kulturamt der Stadt Kassel unterstützt das Projekt und dazu kommt noch das ehrenamtliche Engagement aller Beteiligten! Das Haus der Jugend Kassel bietet uns kostenfreie Räume an, da wir im Projekt auch jugendliche Teilnehmerinnen haben.

Arbeitet Ihr Verein noch mit anderen Vereinen zusammen?

Der Demokratische Kulturverein ist mit weiteren Vereinen in Kassel sehr gut vernetzt. Es wird oft ein Vereinstreffen vom Ausländerbeirat organisiert, wo sich die Vereinsvertreterinnen und Vertreter austauschen und vernetzen können. Wir arbeiten mit Gewerkschaften zusammen und kooperieren mit dem Migrantinnen-Bündnis Kassel und mit dem Frauen-Bündnis Kassel.

Haben Sie weitere, künftige Ziele? Pläne im Ausblick?

A. Budak: Für mich ist die Koordination eines Projektes gerade die erste Erfahrung. Hinter der Projektdurchführung steckt viel Arbeit und die Bürokratie raubt meistens viel Zeit. Gerne würden wir für die Zukunft ein neues Projekt planen, wir würden aber die Unterstützung einer weiteren Person brauchen, um die Arbeit besser aufzuteilen und dafür auch mehr Zeit einplanen zu können.

Jeden Freitag treffen sich die zwölf Teilnehmerinnen mit Ayse Budak und Frau Bircan Özdemir im Haus der Jugend. Die Theatergruppe wird für die gemeinsame kreative Arbeit an der Stückentwicklung von Theaterpädagogen begleitet. Die Aufführung ist für den 3. Juni 2020 geplant, die im Kulturhaus Dock 4 in Kassel stattfinden wird.